VON ÖSTERREICHS GALIZIEN  ZUR WEST-UKRAINE
Der Vortragende, Dr. Gerhard Stadler,

war Sektionschef im  Verkehrsministerium und dann Direktor der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol. Er hat die Ukraine beruflich wie privat oftmals bereist, zuletzt 2018 als Berater der Europäischen Kommission. 
 

Bei den Teilungen Polens 1772 und 1795 wurden Galizien und die Bukowina Österreich zugesprochen, mehr als 100 000 km² zwischen Schlesien, der Weichsel, Pruth und Dnjestr. Die Landnahme erfolgte zwar ohne Zustimmung der Bewohner, jedoch friedlich. Bis auf die historischen Städte Krakau und Lemberg war das Gebiet wenig bevölkert und wirtschaftlich rückständig.          Wien investierte in die fruchtbaren Kronländer Galizien und Bukowina hohe Summen in Schulen und Universitäten, in Eisenbahnen und Kirchen, aber auch in Kasernen und Festungen wegen der latenten Bedrohung durch Russland. Jaroslau wurde zum größten Waffenplatz der Monarchie, Przemysl die größte Festung Europas. Das im Karpatenvorland gefundene und leicht abbaubare Erdöl machte Österreich 1914 zu einem der größten Erdölproduzenten der Welt.   Polen und Ukrainer (damals Ruthenen genannt), Juden und Deutsche bildeten die ca. neun Millionen zählende Bevölkerung.

Hier begann der erste Weltkrieg mit Abwehrschlachten und schwersten Verlusten der k.u.k. Armee. Zehntausende Ruthenen wurden in das heutige Österreich deportiert und riesige Barackenlager für sie errichtet.  Nach der Rückeroberung Galiziens planten die Habsburger 1917 einen Erzherzog als König von Polen einzusetzen und einen anderen als König der Ukraine. Alles endete 1918 im Bürgerkrieg, Polen gegen Ukrainer und gegen beide die russischen Rotarmisten. 1923 ging Polen als Sieger hervor, 1939 kam es zu dessen Teilung zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion, schließlich 1945 zur „Westverschiebung“ Polens an die Oder-Neisse-Linie, 1991 zur Unabhängigkeit der Ukraine von Russland.

Wer weiß heute noch, dass das jetzt bombardierte  Lemberg (Lwiw) 140 Jahre lang Hauptstadt des österreichischen Galiziens war, dass Österreich-Ungarn als erster Staat die Unabhängigkeit der Ukraine anerkannte (1918), oder dass der Mittelpunkt Europas in den heute ukrainischen Karpaten berechnet wurde ? Geblieben ist,  dass Lwiw von Wien gleich weit entfernt ist wie Bregenz und dass der Roman  „Radetzkymarsch“ von Joseph Roth den „Mythos Galizien“ bis heute bekannt macht.

In diesem reich illustrierten und durch Karten ergänzten Vortrag werden wir auch daran erinnert, dass in der heutigen Ukraine  manche Bauten österreichischer Architekten noch glänzen, dass viele österreichische Schriftsteller und Wissenschaftler dort  geboren wurden.

Aber auch die Gegenwart dieser europäischen Region wird umrissen, die seit dem 24. Februar 2022 im militärischen Abwehrkampf gegen Russland steht. Über den weiteren Verlauf dieses Krieges, über seine Dauer und den Ausgang können nur Vermutungen angestellt und selbst über Szenarien kann nur spekuliert werden. Folgen wird es in jedem Fall auch für Österreich geben.